Predigten
Predigt über Heilung, Hauptmann von Kapernaum. 3. Sonntag nach Epiphanias
Hier gehts zum Bibeltext: https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us8
Kurzpredigt Christnacht 2021
Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. – Rö 12,21
Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis.
Literaturpredigt Klüssendorf, Das Mädchen
Thema Zehn Gebote, Du sollst Vater und Mutter ehren
6. Sonntag nach Trinitatis, Mt 28,16-20, Predigt Pn Sophie Schäfer
Markus 8 - Jesus sagt: Teilt! Das Essen wird für alle reichen.
1. Armut Anderer
Chaos, so weit das Auge reicht.
Es fehlt an allem. Hier ist viel zu wenig Essen, zu wenig Trinken, man kann sich nicht waschen, und wenn man aufs Klo muss, muss man sich verhalten wie ein Hund und lange suchen, bis man eine Ecke gefunden hat, in der man sich ungestört fühlt und nicht das Gefühl hat, von Zuschauern umgeben zu sein. Es stinkt und man hat den ganzen Tag nichts zu tun. Menschen laufen herum und warten. Und nichts verändert sich. Einige Leute werden aggressiv. Neulich gab es einen Streit um eine Bettdecke. Dieser Streit ist eskaliert und es gab eine Messerstecherei. Die Nerven liegen blank. Den Menschen geht’s nicht gut.
Ob Jesus auch in einer solchen Situation war? Das frage ich mich. Immerhin traf Jesus auf eine große, hungernde Menge, die Jesus sehr leidtat, um die er sich sorgte.
Die oben beschriebene Szene ist jedoch vielmehr ein Eindruck aus dem Lager in Moria. Seit es dort gebrannt hat, hat sich die Situation nochmal deutlich verschärft. Der Streit um die Bettdecke ist nicht ausgedacht, es hat wirklich eine Messerstecherei deshalb gegeben. Man sieht daran, wie extrem der Mangel ist, wie groß die Verzweiflung.
Als Schulpastorin unterrichte ich viel. In der Schule merke ich manchmal, dass es knirscht. Dass es Menschen gibt, die der Meinung sind, dass wir nicht noch mehr Leute aufnehmen können.
Und ich verstehe die Bedenken. Wo Sorge ist, ist auch das Wissen, dass ein Unterfangen nicht automatisch gelingt. Sorge hat ihre Berechtigung, insofern dahinter der Wunsch nach dem Gelingen steht. Wer Dinge gut machen will, muss an Vieles denken.
Und doch. In diese Situation hinein spricht Jesus: Teilt, denn das, was ihr habt, reicht. Und ein Wunder geschieht. Wie aktuell ist dieser Text! Wie zuversichtlich können wir sein! Denn Jesus selbst hat voller Vertrauen gezeigt, dass das Teilen funktionieren kann.
2. Jesus, unser Lehrer
Damit ein solches Wunder geschieht, sind, so glaube ich, zwei Sachen wichtig:
1. „Jesus forderte all die Menschen auf, sich auf die Erde zu lagern.“
So steht es im Text. Jesus macht Regeln, die Menschen halten sich daran. Sie sollen sich lagern und abwarten. Ordnung und Geduld sind notwendig, denn wenn alle durcheinanderlaufen und reden, kann Jesus sich um niemanden kümmern. Jeder Einzelne muss sich daran halten, damit Jesus sich um sie kümmern kann.
Jesus braucht Ordnung und Geduld. Was die Menschen brauchen, die hierhin kommen, ist die Ordnung, die hier gilt: Das, was in Deutschland für alle Menschen uneingeschränkt gilt, ist das Grundgesetz. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Egal, welche Nationalität, Religion, Weltanschauung, politische oder sexuelle Ausrichtung, das Grundgesetz gilt. Menschen sind frei ihr Leben zu gestalten, solange sie niemandem schaden.
Wer Deutschland neu betritt, verinnerlicht nicht automatisch diese neue Kultur. Es ist ein Akt der Nächstenliebe, neu Zugezogene darüber zu informieren, dass Menschen hier ihre Lebensform selbst aussuchen können. Wie soll man sich in einem fremden Land orientieren, wenn man die Kultur nicht kennt und nicht weiß, dass alle Menschen hier gleiche Freiheiten genießen.
In einer Beziehung gibt es aber noch die zweite Seite:
2. „Und Jesus nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Schülern, dass sie sie austeilten, und die Schüler teilten sie unter das Volk aus. 7 Sie hatten auch einige Fische; und Jesus sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen. 8 Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll. 9 Es waren aber etwa viertausend; und er ließ sie gehen.“
Jesus nimmt das Brot und dankt und segnet, was es an Essen gibt. Jesus hält die Beziehung zu Gott, bei allem, was er tut. Er ist überzeugt, dass sein Vorhaben mit Gottes Hilfe gelingen wird. Jesus ist ja nicht alleine.
Jesus dankt Gott, bevor er das Brot mit anderen teilt. Für ihn ist das Danken etwas Natürliches. Er versteht das Essen nicht so sehr als Eigentum, sondern als Geschenk Gottes. Das Essen ist ihm anvertraut und Jesus verwaltet diese Gabe Gottes. Und er geht sehr verantwortungsvoll damit um. Denn Jesus fordert seine Jünger auf, auch die Reste der Brote einzusammeln. Auch die Krümel sind kein Müll, sondern verlieren ihren Nährwert nicht. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Nahrungsmitteln kann auch eine Anfrage an uns sein: Werfen wir Lebensmittel weg? Manchmal wird auch darin der eigene Überfluss deutlich, den man selbst sonst vielleicht gar nicht so sieht.
Wer erkennt, dass er reich beschenkt ist, will weiterschenken. Das geht auch im übertragenen Sinne: Jedenfalls geht mir das so. Wenn ich ganz viel Liebe in mir habe, will ich die weitergeben.
Beim Materiellen kommt allerdings etwas anderes hinzu: Wer materielle Dinge abgibt, gibt ein Stück seiner vermeintlichen Sicherheit ab. Das Teilen geht gegen das Bedürfnis nach Sicherheit. Und das ist in unserem Land sehr ausgeprägt: Rentenversicherung. Lebensversicherung. Kasko-Versicherung. Alles-Versicherung. Gegen möglichst alle Widrigkeiten absichern, möglichst viel auf die hohe Kante legen. Für irgendwann. Möglich, dass es dann doch anders kommt als erwartet.
Auch mit allen menschlichen Bemühungen gibt es die letzte Sicherheit nie. Das sehen wir auch mit all den Corona-Restriktionen. Man kann aufpassen und sich immer an alle Regeln halten, und dann wird man im Supermarkt von jemandem ohne Maske angeniest und hat doch Corona. Bei allem, was man tut, hat man nie eine 100%-ige Sicherheit.
Wer teilt, muss also loslassen. Nicht nur dasjenige loslassen, was er weggibt, sondern auch ein Stück materielle Sicherheit für sich. Und das geht deutlich besser mit dem Gottvertrauen, dass Jesus selbst das Vorbild ist. Das Vorbild Jesu, die Rückbindung an Gott und das eigene Zutun sind gewiss dafür, dass die Bemühungen fruchten werden.
Dafür braucht es Mut. Auch Mut, für den eigenen Glauben einzustehen, Christus fröhlich zu bekennen. Das merke ich, wenn ich in der Schule Beleidigungen oder Abwertungen aufgrund meines Christseins erfahre. Aber auch – oder besonders in solchen Situationen heißt es: Sich nicht beschämt wegducken und sagen, nee, Christentum, das sind andere. Sondern stolz sein auf den eigenen Glauben, stolz sein, ein Christusnachfolger zu sein, der Hoffnung und Pläne hat, wo andere nur Schwarz sehen.
3. Eigene Reichtümer
Dieses Jahr hatte seine besonderen Herausforderungen. Und ich vermute, dass hier jede und jeder in der Kirche seine ganz eigenen Kämpfe und Nöte erlebt hat.
Wir denken auch an unseren Verstorbenen XY.
Es gibt diese unüberwindbaren Grenzen. Der Tod ist eine solche Grenze, denn er ist endgültig. Es ist schwer damit umzugehen. Und in all das Leid des Abschieds spricht Gott hinein, dass er jedes Leben erhält. So wie ein Korn in die Erde fallen muss, damit daraus eine Pflanze wächst, muss ein Mensch sterben, um das ewige Leben bei Gott geschenkt zu bekommen.
Vertrauen üben, vertrauen können, vertrauen wollen. Immer wieder.
Darin an sich liegt, denke ich, der Reichtum des Glaubens. Der Glaube hilft beim Leben, hilft zum Leben. Der Glaube ist Anlass für Hoffnung, Vertrauen, für die Zuversicht, dass es weitergeht.
So sind wir dreifach beschenkt:
1. Mit dem Essen, das wir täglich zu uns nehmen. Es ist nicht selbstverständlich, jeden Tag Mahlzeiten zu sich nehmen zu können. Und über das leibliche Wohl hinaus gehört zu dem Guten des Alltags auch alles andere Wohltuende, das wir empfangen. Ein Lächeln vom Kollegen, ein gutes Wort vom Chef, ein Geschenk vom Enkel, eine Umarmung von der Freundin. Wer nachdenkt, wird etwas zum Danken finden. Wie sehr gehört „denken“ und „danken“ doch zusammen.
2. Wir sind außerdem beschenkt mit Jesus als Lebenshilfe und Wegweiser. Wer Jesus nachfolgt und den Blick auf Gott richtet, wird besser durch das Leben kommen. Denn er hat nicht nur Angst, Sorgen und Befürchtungen, sondern hat die Geschichte von der Brotteilung vor Augen und weiß, dass das Teilen gelingen kann.
3. Und wir sind beschenkt mit dem Vertrauen, dass die Liebe Gottes stärker ist als der Tod. Dass Gott Jesus auferweckt hat um zu zeigen, dass bei Gott alle Menschen gut aufgehoben sind.
Danke Gott.
Amen.
Exodus 3 – Brennender Dornbusch – Gott versteht die Sprache der Sehnsucht
1. Mose und die Sprache der Sehnsucht
Es war diese tiefe Sehnsucht. Sehnsucht nach einer heilen Welt. Er wünschte sich so sehr, dass SEINE Welt wieder heil würde. Er wollte sich geborgen fühlen. Geliebt wissen. Gut aufgehoben. Versorgt. Umfangen von elterlicher Liebe. Er wollte Liebe empfangen und zurückgeben. Eine Umarmung spüren. Warme Haut, die seine Haut berührt. Zärtlich und liebevoll. Gewolltes Leben. Wie tief saß diese Sehnsucht. Der Wunsch nach etwas so Schönem wurde ihm fast zum Schmerz.
An seine Mutter hatte er kaum Erinnerungen. Er wurde von seiner Mutter gestillt und die ersten Jahre auch großgezogen. Er hatte diese Liebe in den ersten Jahren seines jungen Lebens gekannt. Liebe in jedem Blick. Er durfte sein. Er musste sich nicht verstecken. Er war angenommen. Als der, der er war.
Und nun war er ein Viehhirte in der Wüste. Nichts war mehr übrig von der Liebe. Nichts war mehr übrig vom einstigen finanziellen Wohlstand.
Wie konnte all das passieren?
Reichtum im Überschwang war es; Wohlstand war noch untertrieben. Denn aufgewachsen war Mose in einem Palast. Er hatte für alles Bedienstete. Er hatte Essen. Er musste sich um nichts sorgen.
Und doch war da dieser Zwiespalt. Er wusste, dass es ihm nur deshalb so gut geht, weil seine wahre Identität stets totgeschwiegen wurde. Er wusste, dass er gar kein Ägypter war. Er wusste, dass es die Tochter des Pharao war, die ihm das Leben gerettet hatte, weil sie ihn als Baby niedlich fand.
Und bis heute blieb die Fremdheit. Wenn Mose in den Spiegel schaute, dann sah er einen Hebräer. Einen Hebräer im Hof des Pharao. Ein Mann zwischen den Welten. Und wo gehörte er wirklich hin?
Einmal noch traf er die Freundin seiner Mutter. Ein kurzes Gespräch nur, und dennoch erinnerte er sich an jedes Wort.
Ganz anders als er soll sie gewesen sein. Voller Liebe und Langmut.
Und das war es doch, was Mose so sehr fehlte. Und das steigerte die Wut darüber, dass seine hebräischen Landsleute so brutal ausgebeutet wurden. Er brauchte nur die Palasttüren öffnen und er sah das Leid seiner Landsleute. Wie sie in der Hitze schuften mussten.
In ihm kochte die Wut.
Und dann kam der Tag, der sein Leben grundlegend veränderte. Mose sah, wie ein ägyptischer Aufseher einen Hebräer schlug. Seiner Meinung nach ohne Grund.
Moses Wut übernahm ihn. Er nahm einen Knüppel und schlug den Ägypter mit einer solchen Kraft, dass der zu Boden ging und liegen blieb. Moses Atem stockte. Er bewegte sich nicht. Sondern sah auf den Ägypter. Und Mose war klar, dass er den Ägypter getötet hatte.
Der Ägypter musste ganz schnell verscharrt werden. Mose wollte, dass das Zeugnis seiner Gräueltat verschwinde.
Und doch… Nur wenig später stellte Mose fest, dass sich seine Bluttat herumgesprochen hatte. Nun trat noch die Angst in sein Leben. Und es dauerte tatsächlich nicht lange, da wollte der Pharao ihn dafür töten lassen.
Schnell verschwand Mose und flüchtete in die Steppe. Dort verteidigte er hebräische Frauen, die bei ihrer Arbeit von Männern bedrängt wurden. So lernte er seine Frau kennen. Seitdem arbeitete Mose als Viehhirte in der Steppe. Hier war nichts. Alles, was er hatte, war seine Frau und die Erinnerung. Die Erinnerung an materiellen Reichtum. An finanzielle Sicherheit. Und die lange zurückliegende Erinnerung an bedingungslose Liebe.
Und er wusste, dass das, was er so früh im Leben verloren hatte, ihm doch das Wichtigste war. Sein Herz wurde schwerer mit jedem Schritt.
Findelkind, Glückskind, Schwindelidentität, Wut, Totschlag, Flucht. Was für ein Leben.
2. Gott tritt in sein Leben
Mose fühlte sich ziemlich alleine. Der Verlust seines bisherigen Lebens wog immer noch schwer. Wer war er nun? Was war aus ihm geworden? Hätte er nicht einfach seine Rolle spielen können? Die Demütigung der Hebräer hinnehmen? Seine eigene Herkunft leugnen?
Die Zweifel hörten nicht auf. Sie quälten ihn tagsüber und auch abends, wenn er versuchte einzuschlafen.
Und neuerdings wurde der Schlaf noch von Babygeschrei gestört…. Denn Mose war Vater geworden. Seine Frau Zippora hatte einen Sohn geboren. Nun hatte er eine Familie zu ernähren. Und er versuchte sich auf diese Weise für seine Arbeit als Hirte zu motivieren.
Ein neuer Tag brach an und Mose erwartete Eintönigkeit. Dass auch dieser Tag wie jeder andere in der Steppe würde. Und er hütete die Tiere.
Da sah er diesen Busch. Was war das? Er näherte sich dem Busch und sah, dass er in Flammen stand, aber nicht verbrannte. Und Mose hörte die Stimme. Es war Gott. Gott selbst sprach mit ihm! Gott brachte die Wendung in Moses Leben. Mit Gott begegnete Mose Heiligkeit. Und er zog die Schuhe aus und neigte sein Angesicht dem Boden, weil Mose wusste, dass er Gott nicht anschauen kann.
Passendes Bild von Sieger Köder!
3. Ein Gott der Freiheit – für Volk und Individuum
Ja, genau ihn wählte Gott aus. Gott wollte ihn. Da konnte sich Mose noch so sehr gegen diesen Auftrag wehren, er musste ran. Mose sollte nicht mehr nur Viehhirte sein, sondern die Hebräer befreien und in ein Land führen, in dem sie selbst in Freiheit leben könnten, ohne ihre Identität verschweigen zu müssen.
War das nicht unglaublich!
Er – wer war er schon? Mose, der Heimatlose; Mose, der Mörder? Und Gott sprach ausgerechnet mit ihm! Und beauftragte ihn! Und stellte sich ihm sogar vor! Kein Richtspruch! Keine Strafe! Keine Erwähnung seiner Missetat!
Das stellte Moses Gottesbild völlig auf den Kopf. Mose, der sich so gottlos gefühlt hatte, spürte auf einmal wieder diese Liebe, die er schon als Baby kennengelernt hatte. Diese Wärme war wieder da. Der liebevolle Blick, der einen Menschen wachsen lässt. Ein wohltuendes Gefühl durchflutete seinen Körper und Wachheit schärfte seine Sinne.
Dieser Gott war wirklich ein Gott der Freiheit. Gott befreite Mose von seiner Schuld, forderte die Beziehung zu Mose ein und gab ihm auch einen Auftrag, sodass sein Leben Sinn und Richtung finden sollte.
Und all das war ein bißchen viel für Mose. Erst wollte er ja wirklich nicht. Mose wusste, dass er nicht eloquent war. Mose verschlug es oft die Sprache. Und besonders dann, wenn es drauf ankam. Mose wusste auch, dass er fast legendäre Züge als Jähzorniger erhalten hatte.
Ganze fünf Mal brachte Mose Einwände vor. Er kann das doch nicht tun. Er ist nicht würdig. Er weiß nicht, was er überhaupt sagen soll. Er weiß auch nicht, was er sagen soll, wer da mit ihm geredet hat. Aber Gott blieb dabei. Mose ist der Richtige dafür.
Gott traute ihm Großes zu. Aber Mose wusste, dass dieser Auftrag nur mit Gott zu bewältigen war. Mose wusste nun, dass er Gott in seinem Leben brauchte.
Nun war Mose aber wirklich reich. Denn Gott war nun in sein Leben getreten. Gott hatte sich mit seinem Namen vorgestellt: Ich bin, der ich bin. Oder auch: Ich werde sein, der ich bin. Oder: Ich bin, der ich sein werde.
Zuverlässig. Gottes Liebe würde sich nicht ändern. Das spürte Mose. Deshalb war Gott ja nicht nur Moses Freiheit, sondern auch die Freiheit der Hebräer so wichtig. Sie sollten frei leben können und nicht aufgrund ihrer Herkunft oder Religion ausgebeutet werden. Und Mose sollte nicht aufgeben, weil auch in seinem Leben noch nichts verloren war. Er durfte und er sollte sein. Mit Gott als starker Mann. An diesem Abend schlief Mose glücklich ein. Er dachte:
„Gott, da du alles schon weißt,
mag ich nicht beten.
Tief atme ich ein,
lange atme ich aus.
Und siehe: Du lächelst.“ (Kurt Marti)
mag ich nicht beten.
Tief atme ich ein,
lange atme ich aus.
Und siehe: Du lächelst.“ (Kurt Marti)
Amen.
Micha 7,18-19
Es sind bewegte Zeiten.
Wer Nachrichten hört oder die Schlagezeilen liest, wird feststellen, dass im Moment vieles nicht so wirklich in Ordnung ist.
Menschen mit anderer Hautfarbe klagen über Anfeindungen, werden gar attackiert. Nicht nur in den USA, auch hier geschieht so etwas. Für seine Haut- oder Haarfarbe attackiert zu werden – wie kann das sein?
Möglichst billig soll es sein. Das ist das oberste Gebot in der Nahrungsmittel-Industrie und dem wird alles andere untergeordnet. Dass „billig“ kein zukunftsfähiges Kriterium ist, wird nun endlich deutlich.
Der Zahlungsdienstleister Wirecard hat knapp 2 Milliarden Euro verschwinden lassen. Und es findet sich niemand, der dafür verantwortlich sein könnte.
Ich weiß nicht, ob auch Sie, liebe Gemeinde, schon so etwas erlebt haben; aber ich erlebe Anfeindungen, weil ich Christin bin und weil ich zur evangelischen Kirche gehöre.
Wer brauche die Kirche, der Papst erzähle nur Quatsch und die Pfarrer würden nur Kinder missbrauchen. Die Kirche wäre nur teuer und würde nur Märchen aus der Antike erzählen. Man nahm mit Freude zur Kenntnis, das vergangenes Jahr über eine halbe Million Menschen aus den Kirchen ausgetreten seien. Wer glaube noch an Wunder. Um all das zu glauben, müsse man schon dumm sein.
Wer brauche die Kirche, der Papst erzähle nur Quatsch und die Pfarrer würden nur Kinder missbrauchen. Die Kirche wäre nur teuer und würde nur Märchen aus der Antike erzählen. Man nahm mit Freude zur Kenntnis, das vergangenes Jahr über eine halbe Million Menschen aus den Kirchen ausgetreten seien. Wer glaube noch an Wunder. Um all das zu glauben, müsse man schon dumm sein.
Warum diese Aggression?
2. Verständnis und Auseinandersetzung
Genauso ging es auch Micha. Micha ist der Prophet, der den Predigttext für diese Woche bereitstellt. Er klagt auch über den Egoismus und die Egozentrik mancher Menschen, die andere leiden lassen. Wesentliche Probleme, die es heute gibt, gab es auch damals schon. Reiche haben auf Kosten der Armen gelebt. Es wurde betrogen und gelogen. Und manche Menschen haben sich über gottesfürchtige Menschen lustig gemacht.
Und wenn man es recht bedenkt, bieten auch diese Zeiten wieder viel Stoff zur Verunsicherung.
Die Gesellschaft verändert sich. Das ist eine Folge unseres Lebensstils. Wenn Kriege um Bodenschätze geführt werden, sämtliche Bodenschätze aber in wenige Länder dieser Welt exportiert werden, macht es Sinn, sich an diese wenigen Länger zu halten. Man kann nicht auf Kosten anderer leben und erwarten, dass das für immer gut geht.
Seit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies ist die Fleischindustrie endgültig diskreditiert. Wem kann man noch vertrauen? Oder schadet minderwertiges Essen dem Konsumenten gar? Was kann ich noch kaufen? Was kann ich meinem Kind oder meinen Enkeln überhaupt anbieten?
Auch im sozialen Leben dürfte die Verunsicherung noch da sein. Die Maßnahmen zum Schutz vor Corona werden immer mehr zurückgefahren. Und trotzdem ist jeder Tag begleitet von einem Zwiespalt: Regeln stehen gegen Bedürfnisse.
Darf ich Mama vielleicht doch umarmen, obwohl sie schon 60 ist? Oder ist das gar verantwortungslos? Was wäre, wenn ausgerechnet ich durch leichtsinniges Verhalten eine zweite Welle lostrete?
Irgendwer muss doch schuld sein an dieser Misere. Manch einer braucht einen Sündenbock, um all seine Aggressionen irgendwie loszuwerden. An der Wut der jungen Menschen in Stuttgart konnte man sehen, welch eine zerstörerische Kraft wirksam werden kann.
Es sind schwierige Zeiten. Es gibt viele Möglichkeiten für Verfehlungen. Wo aber gibt es Orientierung?
Orientierung gibt uns der Predigttext.
Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade!
19 Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.
20 Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unseren Vätern vorzeiten geschworen hast.
3. Gott gibt Orientierung
Nun, man könnte sagen, die Gesellschaft verändert sich – und das ist auch gut so. Denn jede Krise ist auch eine Chance auf Veränderung und ggf Neuanfang.
Ein Neuanfang kann gelingen, indem wir unser Herz öffnen. Eine schlimme Entwicklung nicht schon erwarten, sondern uns für Gutes und Barmherzigkeit einsetzen. Und uns überraschen lassen.
In dem Predigttextkapitel steht auch Folgendes:
Schadenfreude ist nicht nötig! „Wenn ich auch darniederliege, so werde ich wieder aufstehen; und wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.“
Wo Licht ist, kann man sehen, da ist Orientierung. Wo Gott ist, ist Licht, wo Gott ist, ist Orientierung.
Es sind schwierige Zeiten. Manch einer mag aus Ahnungslosigkeit das Christentum mit Märchen aus der Antike verbinden. Es ist ratsam, so etwas nicht persönlich zu nehmen, sondern als Selbstaussage zu begreifen. Denn gerade in diesen Zeiten ist es wichtig aufzustehen und selbstbewusst zu sagen: Ja, ich gehöre zur Kirche. Ich glaube an Wunder. Das heißt nicht, dass ich erwarte, fliegen zu können. Aber ich begreife jeden Atemzug als ein Wunder. Und ich glaube, dass neuerlangte Hoffnung ein Wunder ist. Leben ist nicht nur der physische Herzschlag, sondern auch eine hoffnungsvolle Seele. Beides Geschenke Gottes, die Leben ermöglichen. Physisch und seelisch. Leben ist nicht selbst-verständlich. Es erklärt sich nicht durch sich selbst. Wer eine Dankbarkeit spürt, ist auf Gott verwiesen, die „höhere Macht“, die das Leben schenkt. Es ist schön, diese Haltung in einer Gemeinschaft zu leben.
Sie sind Kirche.
Wir sind Kirche.
Wir formen Kirche.
Wir sind befreit zu einer Haltung. Einer Haltung, auf die jemand anders vielleicht gar nicht käme:
Wir sind dazu befreit, Gehässigkeit nicht mit Gehässigkeit zu beantworten, sondern mit offenen Armen. Das ist eine Haltung. Eine Haltung, die Jesus uns vormacht.
1. Ein hörendes Herz bewahren
2. Verantwortung übernehmen
3. Loslassen, was uns belastet.
Dabei haben wir die beste Unterstützung, denn wir haben Gott, der uns hilft. Das verhindert keine menschlichen Gefühle.
Wut kann trotzdem da sein. Wut ist gut. Denn Wut will Veränderung. Es ist gut die Wut rauszulassen. Aber nicht am Gegenüber. Sondern am Boxsack…
Und irgendwann den Griff lockern. Die wütende Faust öffnen. Loslassen. Ärger Gott erzählen. Belastendes abgeben.
Wie die Frau auf dem Bild. Sie streckt ihre Arme in den Himmel. Die Handschellen sind geöffnet und sieht fast aus wie eine gemalte Schwalbe. Die Frau ballt eine Faust und öffnet eine Hand. Loslassen mag harte Arbeit sein. Aber es ist eine Befreiung. Sie ist von ihren Ketten befreit. Lassen Sie los, was Sie bindet und tun Sie, wofür Sie geschaffen sind: Lieben.
Was uns alle verbindet, ist der Auftrag Jesu: Liebe Gott von ganzem Herzen und Deinen Nächsten wie Dich selbst. Das ist das Rezept für ein gutes Leben.
Das spricht auch gegen die Märchenthese. Denn die Wahrheit liegt im Glauben selbst. Wo Glaube trägt und hilft, all den Widrigkeiten zu trotzen, Sinn zu sehen, wo andere Schwarz sehen, eine Aufgabe zu erkennen, wo andere resignieren, dann ist Gott im Leben spürbar.
Wir zusammen können diese aufrührerische Minderheit bilden. Zusammenhalten. Und für Menschlichkeit einstehen und aufstehen.
Unbeirrt den Auftrag Jesu erfüllen. Feindseligkeit mit Offenheit beantworten. In Dialog treten. Offene Arme haben. Denn wir haben Gott an unserer Seite. Gott hat Gefallen an Gnade, nicht an Gehässigkeit. Und Gott ist treu.
Gott ist immer für alle da.
Um wieviel mehr dürfen wir auf Gottes Nähe vertrauen, die wir sie wollen und brauchen.
Wir sind nicht alleine.
Auch diese Zeit ist Gottes Zeit. Gott ist dabei. Auch in dieser Zeit. Das gebe uns Kraft, die eigenen Fäuste zu öffnen. Die Arme zu auszustrecken. Himmelwärts.
Amen.