„Morgen“, sagte sie, „morgen mache ich mich richtig schick und lasse es mir gutgehen! Heute soll der letzte stressige Tag eines ganzen stressigen vergangenen Jahres sein!“
Unzählige Stunden hatte sie im vergangenen Jahr gearbeitet und sich selbst vernachlässigt. In Gedanken war sie immer schon weiter als ihr Körper: Als sie noch im Büro saß, war sie gedanklich schon bei der Sitzung. Während der Sitzung sah sie vor ihrem geistigen Auge schon den Supermarkt und stellte sich vor, was sie dort alles noch kaufen müsste. Beim Einkaufen formulierte sie schon Emails, die sie im Nachgang an die Sitzung noch schreiben müsse. Am Schreibtisch fiel ihr ein, dass sie einen Arzttermin vergessen hatte. Jetzt war es zu spät. Ob sie es noch schaffen würde, schnell neue Masken zu kaufen? Sie hatte nun dieselbe Maske schon seit Ewigkeiten getragen. Aber das war nur ein Symptom für etwas, was viel tiefer lag. An sich selbst sparen. Das war typisch für sie. Nun aber schien es fast geschafft. Das erste freie Wochenende seit so langer Zeit schien in greifbarer Nähe.
Morgen würde sie endlich ihr schickes neues Kleid tragen, das sie noch nie getragen hatte. Weil sie es sich immer aufgehoben hatte. Für besondere Anlässe. Morgen sollte es sein. „Endlich Zeit für mich!“
Morgen wärs gewesen, hätte sie nicht an dem Abend einen Schlaganfall gehabt.
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