© Sophie Schäfer

Gedanken zur Vergebung

Sat, 18 Sep 2021 18:33:37 +0000 von Schulpastorin und Notfallseelsorgerin Sophie Schäfer

Vergebung wurde philosophiegeschichtlich eigentlich Gott zugerechnet. 
 Unter Menschen sprach man eher von Verzeihen. 
 Mittlerweile werden beide Termini kaum unterschieden.
 Aber ich glaube, wenn wir vom Verzeihen sprechen, 
 ist Gott implizit da,
 denn wo das Verzeihen gelingt, ist auch Gott dabei.
 Dem Verzeihen gingen schlimme Taten voraus, 
 das Verzeihen zu etwas Unerwartbaren machen,
 manchmal sogar zu einem übermenschlichen, unmöglichen Akt,
 der durch Gott möglich gemacht wird.

Gott ist es, der dem Täter vergibt,
 der Mensch ist es, der mit Gottes Liebe vielleicht irgendwann (sich selbst) zu verzeihen lernt.

Der Begriff „Verzeihen“ ist so abstrakt und ein bißchen klingt es so, 
 als wäre das Verzeihen ausgesprochen und der Vorgang wäre abgehakt. 
 Aber so ist das nicht.

Ich glaube, Verzeihen ist eine Zumutung.
 Es ist eine Entscheidung für den schwierigeren Weg.
 Verzeihen setzt so viel Arbeit an sich selbst voraus,
 die durch die Tat schmerzhaft wurde.
 Den Anderen kann ich nicht ändern.
 Ich muss auf mich gucken und mein Selbstverhältnis reparieren, bevor ich irgendwem vergeben kann:
 Es ist nötig sich selbst (wieder) anzunehmen,
 vielleicht ein neues Selbstbild (nach der Tat) zuzulassen.
 Das kann die erneute Auseinandersetzung mit einer Kränkung, mit Ekel, Abscheu oder Hass bedeuten.

Ich glaube, 
 dass das Verzeihen ein (sehr) langer Prozess sein kann,
 der sich für Leidtragende lohnt,
 weil er sie vor Bitterkeit schützt und ihnen die Wahrnehmung des Guten zurückgibt.
 Ein hasserfüllter Mensch kreist um das Unrecht und verschließt sich dadurch dem Leben. 
 Er wird erneut zum Opfer, dieses Mal beraubt er sich seines eigenen Lebens. 

Ich glaube, wichtig ist, was im Menschen passiert.
 Ich glaube, es ist nicht immer nötig, das Verzeihen auszusprechen.

Wo etwas im Menschen wieder zu klingen beginnt, da war Gott am Werk. 
Quelle: Sophie Schäfer
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