Manchmal werden Rufe laut, dass die Kirche sich doch ganz zurückziehen und gar keinen Einfluss mehr haben sollte. Man sei so atheistisch, dass Religion keinen Platz mehr habe.
Das ist interessant, wenn man bedenkt, dass diese Rufe überhaupt erst durch die widerständige Arbeit eines Theologieprofessors namens Martin Luther ermöglicht worden sind:
1. Voraussetzung des konfessionellen Zeitalters
Zu Luthers Zeiten kam eine „Religionsfreiheit“ nicht in Frage. Man war katholisch oder vogelfrei. Es gab keinen Pluralismus und keine akzeptierten anderen Religionen bzw. Konfessionen. Durch Luthers Widerständigkeit sind – völlig ungeplant – ganz neue Gruppierungen zustande gekommen, die den christlichen Glauben völlig anders als die bis dahin allgemeine (katholische) Kirche interpretierten. Dass wir unterschiedliche Konfessionen haben, anerkennen, und die Wahl einer negativen Religionsfreiheit haben, ist Resultat der Reformation.
2. Trennung von Kirche und Staat
Auch dass in unseren christlich geprägten Gefilden Staat und Kirche getrennt voneinander agieren, ist ein wirkungsgeschichtliches Resultat der Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers. Er hat schon damals erkannt, dass es für die Friedenserhaltung sinnvoll ist, die Gesetze des Staates von denen der Kirche zu trennen.
3. Eintritt ins ethische Nachdenken und situative Abwägen
„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Amen.“ Dieser Satz, den Luther auf dem Reichstag zu Worms sprach, ist bis heute recht bekannt. Er veranschaulicht eindrücklich, dass eigene Gewissensentscheidungen und die eigene Verantwortung über kirchlich vorgegebene Dogmen siegen. Damit alle Christ*Innen mündig ihr eigenes Gottesverhältnis ausbilden können, verstehen, worum es im Glauben wirklich geht, und daraus resultierend auch eigenverantwortlich handeln können, übersetzte Luther die Bibel in die Sprache des Volkes: Deutsch. Sein Verständnis des Glaubens durch ein persönliches Gottesverhältnis war natürlich auch ein sehr direkter Angriff auf kirchliche Autoritäten. Sie hatten mit ihren Vorgaben bis dato die Kontrolle und Macht über das gesamte (öffentliche) Leben der Menschen. Luther rückte also in den Fokus, dass jeder Einzelne ein eigenes Verhältnis zu Gott pflegen kann und dafür auch keine (kirchlichen) Mittler braucht. Das Individuum gewinnt Macht durch Mündigkeit und Übernahme der Eigenverantwortung, Treffen von Gewissensentscheidungen.
All das ist Erbe der Reformation – christliches Erbe.
Aber was ist denn nun am Reformationstag passiert?
Dazu am morgigen Reformationstag mehr.
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