© Sophie Schäfer

Vier unterschiedliche Evangelien, drei davon also unwahr?

Thu, 06 Jan 2022 18:24:30 +0000 von Schulpastorin und Notfallseelsorgerin Sophie Schäfer

Stellen Sie sich vor, Sie erinnern sich an den 30. Geburtstag Ihres Bruders. Was für eine schöne Feier das war! Die ganze Familie war da. Und auch Ihre Lieblingstante hat mitgefeiert. Da war auch die Nichte noch ganz klein. Denn mittlerweile sind mehrere Jahrzehnte ins Land gegangen. Ihre Erinnerung ist aber noch ganz lebendig! Nun erzählen Sie von dem Fest und treffen einen Teil Ihrer Verwandtschaft wieder. Sie tragen Erinnerungen zusammen und werden merken: Da gibt’s Abweichungen. Das kommt, weil Menschen aus unterschiedlichen Blickwinkeln Unterschiedliches wahrnehmen. Vielleicht war Onkel Otto bei dem besonderen Gespräch mit Ihrem Bruder gar nicht dabei. Wie soll er sich daran erinnern? Vielleicht hat Oma Gerda viel mehr auf die Deko geachtet als Sie. Vielleicht war Ihre Schwägerin mit ihrer geballten Aufmerksamkeit bei ihrem neugeborenen Kind und hat deshalb sämtliche Erinnerungen an den Ehrentag ihres Mannes nicht mehr so präsent. 

Angenommen, jedes Familienmitglied würde nach dieser langen Zeit seine Erinnerung an das damalige Fest aufschreiben. Vermutlich wäre nichts davon komplett deckungsgleich. 

So ähnlich ist das auch mit den vier „Schülern“ Jesu, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie alle sind unterschiedlich, hatten unterschiedliche Schwerpunkte, haben unterschiedliche Akzente gesetzt und gesammelte Erinnerungen dementsprechend angepasst. Die Ergebnisse spiegeln wider, was ihnen jeweils an Jesus wirklich wichtig war. So wollten sie die Erinnerung an Jesus überliefert wissen. Dabei ging es nicht darum, ob Jesus lange oder kurze Haare hatte. Es war vielmehr die Heilkraft, die durch die Begegnung mit ihm von Jesus ausging. Sie nahmen Unterschiedliches als besonders befreiend wahr. Und diese Unterschiedlichkeiten spiegeln ja auch wider wie Menschen tatsächlich sind. Den einen erreicht dies besser, den anderen das. Die Unterschiedlichkeit der Evangelien ist ein Mehrwert für die Unterschiedlichkeit der LeserInnen, und zugleich kulminiert die Botschaft im Zeugnis von der Heilsamkeit der Begegnung mit Jesus. So ist es DAS Evangelium, die eine frohe Botschaft, erzählt und und erlebt von vier unterschiedlichen Menschen. Das tut der „Wahrheit“ keinen Abbruch.
Quelle: Sophie Schäfer
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