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Männer als Krone der Schöpfung: 1. Ein Missverständnis am Anfang.

Sun, 03 Oct 2021 22:00:01 +0000 von Schulpastorin und Notfallseelsorgerin Sophie Schäfer

Als Teenager habe ich mal eine Beerdigung ins Englische übersetzt und stand mit der Rednerin vorne. Ich kam einmal ziemlich ins Schwitzen, weil ich plötzlich ein Gedicht simultan übersetzen sollte. Das war gar nicht so einfach: Übersetze ich es wörtlich oder sinngemäß? Ich hab mich ziemlich schnell entschieden, das ziemlich frei zu übersetzen und nur den (von mir interpretierten) Sinngehalt in die Zielsprache zu übertragen, weil ich keine Zeit hatte über Metrum oder Wörter nachzudenken. Hätte ich das Gedicht vor der Beerdigung bekommen, hätte ich es vielleicht ganz anders übersetzt. Wäre jemand anders Simultanübersetzer gewesen, wäre vielleicht wieder eine ganz andere Übersetzung dabei rausgekommen.
 
Das ist die eine Sache.
 
Wie würde ein Mensch aus einer ganz anderen Kultur, wie zum Beispiel Indonesien, meine Übersetzung finden und verstehen? 
 
Das ist die andere Sache. 
 
Im Prinzip ist so etwas Ähnliches im Laufe der Zeit mit dem ursprünglich hebräischen Bibeltext Gen 2 und 3 passiert. Wir wissen, dass auch in Gen 1 ein Schöpfungstext steht. Eine jüngere Alternative, in der die Geschlechtlichkeit keine Rolle spielt. Alle Menschen sind Ebenbilder Gottes. Ich befasse mich aber mit Gen 2 und 3, weil das die Texte sind, die so übersetzt wurden, dass sie eine sehr unheilvolle Wirkungsgeschichte nach sich gezogen haben.
 
Zunächst ist wichtig nochmal anzuerkennen, dass ein Unterschied zwischen Original und Übersetzung besteht, insbesondere, wenn ein Text für Anhänger einer fremden Kultur verständlich gemacht werden soll: 
 
Das bei uns als Freude demonstrierende bekannte Symbol „Daumen hoch“ ist in der arabischen Welt eine sehr verletzende Beleidigung. Es empfiehlt sich also nicht, „Daumen hoch“ zu schreiben, sondern eher auf das Symbol komplett zu verzichten, wenn man seinem arabischen Gegenüber Freude symbolisieren möchte. Man muss eine Entsprechung in der Zielsprache Arabisch finden.
 
Damals wurde unter Alexander dem Großen die griechische Sprache immer wichtiger. Alexander herrschte über ein riesiges Reich, der Hellenismus war eine überwältigend dominierende Kultur. 
  
Da überrascht es nicht, dass der hebräische Text des Alten / Ersten Testaments etwa ab dem 3. Jh. v. Chr. ins Griechische übersetzt werden musste (Das Neue Testament ist ja auch griechisch). Eine andere Sprache, eine andere Kultur. Wortspiele gehen bei der Übersetzung oft verloren.
 
Adam ist im Hebräischen kein Eigenname, sondern steht für ein menschliches Geschöpf, das aus Erde (adamah) von Gott gemacht wird. Gott wollte, dass dieses Geschöpf nicht allein sei. Deshalb brauchte er eine „Hilfe als Gegenüber“ (auch das wurde sehr lange anders übersetzt und hierarchisch interpretiert – Lutherübersetzung von 1984: „ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei“ – da habe ich die Vorstellung einer Dienerin, wie geht es Ihnen?). Im Hebräischen ist Hilfe überhaupt nicht hierarchisch gemeint und ein Gegenüber muss Adam, dem Erdgeschöpf, eine passende Entsprechung sein. Der hebräische Text ist hier also auf Augenhöhe. Wie sehr die beiden zusammengehören, merkt man, weil das Gegenüber ein Teil des Erdgeschöpfs ist (eine Rippe des Erdgeschöpfs...). Und zugleich wird der Erdling erst durch die Erschaffung seines Gegenübers zu einem Mann, weil er erst in der Unterscheidung / Abgrenzung eine neue Identität gewinnt. Oder anders: Gäbe es nur ein Geschlecht, gäbe es nur Menschen und nicht Mann und nicht Frau.
 
Später wurde der Text ergänzt. Wurde das Erdgeschöpf genannt, hat man „seine Frau“ dazugeschrieben. [Ach ja: Das Alte Testament wurde über viele Jahrhunderte hinweg von sehr vielen Menschen geschrieben, fortgeschrieben und abgeschrieben. Es gibt „zig“ Autoren]. So wurde der Text dann zu „Adam und seine Frau (Ischa. Das ist eigentlich ein Verhältnisbegriff: Isch = Mann, Ischa = Frau)“. 
 
Viel später, zu Augustinus Zeiten, wurde das erst wichtig, weil aus diesen Ergänzungen eine Nachrangigkeit der Frau interpretiert wurde. 
 
Nun hatten die Übersetzer ihre Schwierigkeiten: Wie also Adam ins Griechische übersetzen? Das Wort behalten und Adamah dann auch und beides erklären? Man entschied sich für die einfachere Version: Adam als Eigennamen verwenden. Ungünstig für Frauen ist, dass es in Adam nun der Mann war, der die Menschheit repräsentierte…. 
 
Von da an gab es eine Art Verkettung unglücklicher Umstände, die zu einer ziemlichen Entwertung der Frau führten. Warum die Erotik dann ins Spiel kam und bis heute nur der weibliche Körper so übersexualisiert dargestellt wahrgenommen und interpretiert wird, dazu morgen mehr.
 
Literaturtipps reiche ich nach. Diese Seite ist komplett plagiatsfrei.
Quelle: Sophie Schäfer
Adam ist eigentlich kein Eigenname gewesen, sondern bezeichnete die Menschengattung an sich: Ein Mensch ist aus Erde gemacht (Teil der Schöpfung) und wird wieder zu Erde.
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