Liebe Edith,
Du schreibst, dass Du Dich wegen Deiner „christlichen Einstellung“ nicht traust, Dich von Deinem Mann zu trennen. Du beschreibst, wie sehr Du in der Beziehung leidest, und beides zusammengenommen macht mich wirklich traurig: Ich glaube nicht, dass Gott Interesse an Gefangenen hat, denn es heißt: „Zur Freiheit hat Euch Christus befreit!“ (Paulus‘ Brief an die Galater, Kapitel 5). Jesus sagt, dass Folgendes das höchste Gebot ist: „Liebe Gott von ganzem Herzen und Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Die Selbstliebe ist genauso wichtig. Und dieses höchste aller Gebote kann einen Menschen auch dazu bewegen neue Wege zu gehen. Es soll Perspektiven eröffnen, keine Wege abschneiden.
Leider ist es so, dass Beziehungen auseinandergehen können, und dass Menschen alleine das Gelingen von Beziehungen nicht garantieren können. Deshalb gibt es im Übrigen im evangelischen Christentum einen Traugottesdienst: Wir bitten darin um den Segen Gottes für die Gemeinschaft des (standesamtlich bereits verheirateten) Paares. Die Ehe ist im evangelischen Christentum kein Sakrament, sondern nur Taufe und Abendmahl. Denn Gott ist zuverlässig gütig und liebend, Menschen können sich verändern.
Natürlich stimme ich Dir zu, dass Beziehungen Arbeit bedeuten, nicht immer Spaß machen und deren Bestand gerade in schlechten Zeiten Wert hat. Aber es braucht die Mitarbeit beider Partner. Ehe soll keine Knechtschaft sein. Wenn Du für Dich keine Zukunft mehr siehst, wenn Du in der Gegenwart verwelkst, macht es Sinn zu schauen, ob eine Trennung auf Probe vielleicht eine heilsame Maßnahme für Euch beide sein kann.
Denn letztlich geht es darum, eine Entscheidung zu finden, die mit Barmherzigkeit aufs Leben blickt. So vieles läuft anders als man sich es wünschen würde, so oft bleiben Dinge unvollendet und das schmerzt. Und dennoch glaube ich, dass das eine Erfahrung ist, die uns Menschen eint. Einander im Leid beizustehen ist, denke ich, „christlich“, nicht, übereinander zu richten.
Egal, welche Wege Ihr findet, ich wünsche Dir, dass Dein Glaube Wege öffnet und Dich nicht blockiert. Dass Du Mut schöpfst, statt unter Belastung zu leiden.
Liebe Grüße
Deine S