Theologie zu studieren war eine ziemlich spontane Entscheidung und widersprach allem, was ich bis dahin vorhatte. Ich hatte auf dem Gebiet keine Ahnung, aber brauchte Wissen. Ich blieb dabei, und schloss mein Studium in Göttingen ab. Nach dem Vikariat in Nikolausberg, das ich 2016 beendete, war ich ein Jahr Seelsorgerin im Maßregelvollzug in Moringen für straffällig gewordene psychisch- und suchtkranke Menschen. Danach wurde ich Berufsschulpastorin, zunächst in Hildesheim und seit August 2019 im Kirchenkreis Münden. Hier bin ich neben meiner Aufgabe in der Schule noch mit einer ¼ Stelle für Gottesdienste und Seelsorge im Kirchenkreis tätig. Außerdem engagiere ich mich als Notfallseelsorgerin und koordiniere auch diesen Dienst im Kirchenkreis.
Was sind Ihre speziellen Aufgaben und Erfahrungen als Berufsschulpastorin?
Ich unterrichte "Religion" als evangelische Christin. Dieser Religionsunterricht ist aber kein Konfirmandenunterricht, es nehmen junge Menschen anderer Konfessionen und Religionen an meinem Unterricht teil. Für alle Schülerinnen und Schüler bin ich außerdem Ansprechpartnerin, falls sie Sorgen haben. Wir vereinbaren dann einen Termin und treffen uns in einem Raum in der Schule, in dem wir ungestört reden können. Ich erlebe oft Jugendliche aus prekären persönlichen und sozialen Verhältnissen. Ich möchte gerade für sie Ansprechpartnerin sein, so wie ich es mir selbst früher gewünscht hätte.
Und bei ihren anderen Tätigkeiten?
Ich mache Vertretung für Pfarrerinnen und Pfarrer, feiere Gottesdienste in unterschiedlichen Gemeinden, übernehme Beerdigungen und Hochzeiten.
Die Arbeit in der Notfallseelsorge bedeutet für mich tätige Nächstenliebe, die dann zum Einsatz kommt, wenn Menschen in großer Not sind: Nach einem Verkehrsunfall, Todesfall oder um mit der Polizei zusammen Todesnachrichten zu überbringen. So nehme ich Anteil am Leben vieler Menschen mit all seinen Höhen und Tiefen.
Wie sehen Sie die Lage und Zukunft der Kirche?
Wir sollten nicht ständig auf die negativen Nachrichten über den Bedeutungsverlust der Kirche und die schwindenden Mitgliederzahlen blicken. Wenn wir beim Autofahren unseren Blick auf einen dicht an der Fahrbahn stehen den Baum vor uns fixieren, laufen wir Gefahr ihn zu treffen. Wir sollten nicht auf das Schlechte starren, sondern auf dem vorhandenen Guten aufbauen. Auch in der Frühzeit des Christentums gab es lange nur wenige Gläubige. Dann kam es ganz anders. So kann auch jetzt die Zukunft unserer Kirche ganz anders werden, als wir uns das jetzt oft negativ vorstellen. Schließlich wirkt Gott selbst mit seinem Geist in unserer Kirche und ist bei uns. Darauf können wir uns verlassen.
Wir sollten dankbar sein für die immer noch vielen Kirchenmitglieder. Selbst wenn sie wenig in unseren Gemeinden in Erscheinung treten, so dienen sie mit ihren finanziellen Beiträgen solidarisch vielen sozialen Projekten und tragen so Jesu Aufforderung zur Nächstenliebe, für die Schwachen in der Welt einzutreten, weiter.
Wie empfinden Sie Kirche in Corona Zeiten?
Ich bin beeindruckt von der Veränderungsbereitschaft unserer Kirche, von vielen neuen Aktivitäten in den Gemeinden in und um Hann. Münden, wie z.B. Gottesdienst in der Tüte, Autogottesdienste, Offene Kirche, Youtube-, Pilger- oder Open-Air Gottesdienste …. Hoffentlich nehmen das viele Menschen wahr.
Gott sucht das Herz aller Menschen. Als Kirche sollen wir auf verschiedene Arten das Gespräch mit ihnen suchen. Es ist eine wertvolle und wunderschöne Aufgabe daran zu arbeiten
Wir sollten aber auch daran denken, dass unabhängig von Corona viele andere schwere Probleme in unserer Welt bleiben, denen wir uns stellen müssen: dem Klimawandel, den Flüchtlingen und dem Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Blechern dringt die Stimme durch zu mir "Bleiben Sie gleich hier." Vorsorge war es ein Kampf wird es ein kleiner Abschied ist es. Die Zeit bleibt stehen aber nur für mich Geplantes ist unerreichbar Ein milchiger Vorhang vor dem Leben oder Sterben?